So wollen die Bildungsdirektoren das Frühfranzösisch retten
Mehrere Ostschweizer Kantone wollen das Frühfranzösisch auf die Oberstufe verbannen. Der Bundesrat droht damit, einzugreifen. Und die Westschweiz sieht den nationalen Zusammenhalt gefährdet. Unter diesen Vorzeichen trafen sich die kantonalen Erziehungsdirektoren und Erziehungsdirektorinnen in Luzern zur Jahresversammlung.
Sie standen unter Druck, trotz verhärteter Fronten eine gemeinsame Position zu definieren. Entstanden ist eine am Freitag publizierte Erklärung. Darin betonen die Mitglieder der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), dass die Schweiz eine Willensnation sei, die in die nationale Kohäsion investieren müsse. Ein «früher Kontakt mit einer zweiten Landessprache» sei wichtig.
So wollen die Erziehungsdirektoren vorgehen
Doch hapert es in der Deutschschweiz gewaltig mit den Französisch-Kenntnissen, auch umgekehrt in der Romandie mit dem Deutsch. Die EDK-Mitglieder anerkennen den Handlungsbedarf. Erstens wollen sie deshalb eine Anpassung der Bildungsziele prüfen: also darüber diskutieren, welche Kenntnisse nach der obligatorischen Schulzeit erreicht werden sollen und wie.
Zweitens soll der Spielraum des Artikels 4 des HarmoS-Konkordats «ausgelotet» werden, wie es in der Erklärung heisst. Gemeint ist die 2004 getroffene Übereinkunft der Kantone, die erste Fremdsprache spätestens ab der 3. Primarschule und die zweite Fremdsprache spätestens ab der 5. Klasse zu unterrichten. Eine davon muss die zweite Landessprache sein.
Das steht schwarz auf weiss im HarmoS-Konkordat. Was also gibt es auszuloten? Die Erklärung bleibt in diesem Punkt schwammig. Die Erziehungsdirektoren scheinen ein explizites Bekenntnis zum aktuellen Modell 3. Klasse/5. Klasse zu scheuen, auch wenn alles darauf hinausläuft.
Darbellay: Zeichen an die kantonalen Parlamente
EDK-Präsident Christophe Darbellay sagt, der Spielraum liege weniger darin, ab welchem Schuljahr eine Sprache unterrichtet werde, sondern wie dies geschehe. Die Qualität des Unterrichts lasse sich etwa durch Sprachaufenthalte oder die Anpassung der Lehrpläne verbessern, so Darbellay. «Unsere Position ist ein deutliches Zeichen der Bildungsdirektorinnen und -direktoren an die kantonalen Parlamente: Wir sind uns einig, dass wir nicht einfach alles über Bord werfen dürfen», sagt Darbellay. Die Erklärung wurde einstimmig verabschiedet.
In Luzern diskutierten die Bildungsdirektoren auch den Kompromissvorschlag des Nidwaldner Regierungsrats Res Schmid (SVP). Er fordert, mit dem Französisch auf der 5. Klasse und mit Englisch auf der Oberstufe zu starten. Es kam zu keiner Abstimmung. Der Vorschlag wird weiter diskutiert.
Die Folgen für die aufmüpfigen Kantone
Bleibt die Frage: Was bedeutet die Erklärung für Kantone wie St.Gallen und Zürich, deren Parlamente sich jüngst für das Verschieben des Französischs auf die Oberstufe aussprachen? «Wenn sie den Entscheid 1:1 umsetzen wollten, müssten sie Stand heute aus dem Harmos-Konkordat austreten», erklärt Darbellay. «Aber bis es so weit ist, fliesst noch viel Wasser die Rhone hinunter.»
Der Walliser Regierungsrat verweist darauf, dass Kantone wie Zürich zwei Jahre Zeit hätten, um die Umsetzung zu konkretisieren. In dieser Phase stünden noch zahlreiche politische Diskussionen an – von der Regierungsarbeit über parlamentarische Prozesse bis hin zu einer möglichen Volksabstimmung.
Diese Zeit wolle die EDK nutzen, um eine überzeugende Alternative zum Status Quo vorzulegen. «Wir hoffen, damit das Verschieben des Französischs auf die Oberstufe in den betroffenen Kantonen doch noch abwenden zu können», sagt Darbellay. (aargauerzeitung.ch)
